Die Anfrage von Sopexa, die während unseres Urlaubs auf Djerba hier eintraf, ließ mich erst Mal ein paar Freudensprünge machen: „Nadine, wie sieht´s aus? Hast du Lust, im Oktober mit einer Bloggerin aus China und einer Bloggerin aus Frankreich die SIAL in Paris unsicher zu machen? Das Event findet auf englisch statt und wir würden dich ganz gerne interviewen!“. Ich hab eigentlich nur Paris gelesen und direkt zugesagt. Paris is always a good idea. Dann folgten knappe sechs Monate, in denen mir der Gedanke immer Mal wieder ein bisschen Angstschweiß auf die Stirn trieb. Ähm, Moment Mal, alleine nach Paris? Ich spreche doch überhaupt gar kein französisch. Ääähm, ein Interview? Etwa auch auf englisch? Deine Englisch-Kenntnisse beschränken sich auf zwei Monate Australien im Jahr 2009 und ein paar Folgen Grey´s Anatomy. Nadiiiine, warum sagst du eigentlich immer direkt laut JA zu Dingen, vor denen du eigentlich ganz schön Angst hast? Ganz sicher wirst du beim Interview etwas schrecklich Kluges wie „I become a Croissant“ oder „My lovely mister singing club“ oder ähnliches sagen.
Meine Angst wurde jetzt auch nicht unbedingt kleiner, als man mir
mitteilte, dass das Interview auf einer Bühne mit samt Live-Übertragung
auf Leinwänden stattfinden soll. Na gut, absagen und als unzuverlässig gelten, stand nicht zur Debatte. Also, Augen zu und durch! Ich ließ mir meine Interview-Antworten von der Freundin meines Bruders (Danke! Danke! Danke, meine Liebe!) in korrektes Englisch übersetzen und war wieder ein Mal froh, dass ich nicht auf die Idee gekommen war, zu studieren. Auswendig lernen zählt nicht unbedingt zu meinen Stärken und ich bekam dieses halbe DIN A4 Blatt nur schwer in meinen Kopf. Dann am Tag vor meiner Abreise: ein kleiner Lichtblick! DER BAHNSTREIK! Vielleicht fällt mein Zug aus und ich kann nicht fahren? Ich müsste mich nicht interviewen lassen, würde nichts dummes antworten und wäre noch nicht mal selbst Schuld. Die Bahn wäre schuld, ich bin fein raus! Aber vorsichtshalber gebe ich mal in der Agentur Bescheid… Die Agentur war dann so freundlich und buchte meinen Zug um. Mein TGV war letztendlich der einzige Zug an der Anzeigentafel am Bahnhof, der nicht den Zusatz „entfällt wegen Streik“ trug.
Gut, ich ergebe mich meinem Schicksal, schnell noch einen Abschiedskuss vom Liebsten, meine Interview-Notizen fest in der Hand haltend. Nicht auszumalen, wenn die wegkommen würden… Mein ursprünglicher Zug wäre durchgefahren, ich wäre um kurz vor 17 Uhr in Paris gewesen und hätte mir noch einen netten Abend machen können. Der Zug, in dem ich nun saß, fuhr mich nur bis nach Strasbourg, dort muss ich umsteigen. Kurz vor Strasbourg stehe ich also auf, wuchte meinen viel zu schweren Koffer Richtung Treppe nach unten und freue mich, dass mich ein extrem gutaussehener, junger Mann (jünger als ich, etwa Anfang 20) sehr nett anlächelt. Ich strahle zurück. Bis er den Mund aufmacht und frägt: „Soll ich IHNEN den Koffer runtertragen?“ Wie bitte? Ich strahle zwar immer noch, frage mich aber, ob ich meinen Kleidungsstil überdenken sollte. Während ich überlegte, wie ich ihm unauffällig meinen Ehering präsentieren kann, dachte er sich, er hilft dieser armen, schwachen Oma mal beim Koffer-runtertragen und sammelt Karmapunkte. Ich trug meinen Koffer selbst runter. Unten angekommen, musste ich aber schon über mich selbst lachen. Ich bin eben keine 20 mehr – langsam sollte ich mich daran gewöhnen, dass ich von Jüngeren gesiezt werde.
Ein kurzes Telefonat mit Sabrina, meiner Ansprechpartnerin von Sopexa und eine zehnminütige Taxifahrt später war ich im richtigen Hotel. Es ist inzwischen 22.30 Uhr – das war mein erster, wirklich glamouröser Abend in Paris. Schnell noch ein Mal meine Interview-Antworten durchgelesen und dann direkt ins Bett gefallen, der Wecker klingelt schließlich um 6 Uhr. Beim Frühstück fiel mir auf, dass ich meine Antworten nun so oft durchgelesen hatte, dass ich sie auch ohne Spickzettel herunterbeten konnte – perfekt, es kann also losgehen!
Zusammen mit meiner chinesischen Kollegin Yoyo und Sabrinas chinesischem Kollegen Yueming fuhr ich mit dem Taxi auf das gigantische Messegelände. Schon beim ersten Einblick in die Hallen war ich überwältigt. Es war das Paradies! Schnell noch eine Presse-Akkreditierung abgeholt, meine französische Kollegin Sophie begrüßt und los ging es. Etwa 6500 Aussteller aus über hundert Ländern zeigten hier ihre Produkte. An unzähligen Ständen konnte man Kleinigkeiten probieren und ich war quasi im Himmel. Wovor genau hatte ich noch mal Angst? Ach ja, das Interview… Ach, das verdräng ich mal noch für ein paar Sunden und probiere lieber mal noch das Algen-Confit auf einem Stückchen Baguette. Genau in dem Moment, in dem das Kamerateam, das uns begleitete, interessiert ihre Kamera auf meine Hände richtete, fiel mir der Inhalt des Löffels runter. War auch irgendwie klar, oder? Meinen Ruf als Tollpatsch hatte ich schon weg, was sollte noch passieren?
Zurück zur SIAL. Hier gab es nämlich außerdem noch über 1700 Produktinnovationen, die man begutachten konnte. So zum Beispiel Essigfäden, die sich bei der Benutzung auflösten. Oder ein Tee-Gelee, das eine Mischung aus Tee und Marmelade ist, ohne zu sehr nach einem von beidem zu schmecken. Besonders gut gefallen hat mir eine Box, in der man selbst zuhause Pilze anbauen kann. So eine durfte ich auch mit nachhause nehmen und sobald unser Umzug über die Bühne gegangen ist, werde ich unter die Pilzbauern gehen.
Tja, und dann kam der Moment, vor dem ich monatelang gezittert habe. Wir drei mussten auf die Bühne, wo uns der französische Schauspieler Mark Antoine bereits erwartete. Mir schlug das Herz bis zum Hals, aber Mark war sehr nett und offen – gut, dann kann´s ja losgehen. Bereits die erste Frage war eine komplett andere, als die, auf die ich mich vorbereitet hatte. Die zweite auch. Und die dritte sowieso! Tja, schade! Ich bin ehrlich, ich habe keinen blassen Schimmer mehr, was ich da oben geantwortet habe. Aber es war auf jeden Fall etwas mit Spaghetti Bolognese dabei.
Am nächsten Morgen klingelte mein Wecker bereits um 5.30 Uhr und beim
ersten Blick in den Spiegel wurde mir schlagartig bewusst, warum der
junge Mann mich im Zug gesiezt hatte. Ich wusste gar nicht, dass ich
sooo alt aussehen kann. Da ich nachmittags direkt von der Messe wieder zum Bahnhof fahren würde, musste ich meinen Koffer mitnehmen. Dieses Mal ließ ich mir sehr gerne helfen, der Schreck über mein altes Spiegelbild hing mir noch zu sehr nach. Später stellte sich heraus, dass der Chinese, der mit uns im Taxi fuhr und der mir meinen Koffer getragen hatte, der Gründer des chinesischen Pendants zu Facebook war. Kann ja nun auch nicht jeder von sich behaupten…
Er war als Redner der Foodies-Konferenz von Sopexa eingeladen, die auch auf unserem Programm für den heutigen Tag stand. Hier ging es um wichtige internationale Trends und Social-Media-Strategien im Lebensmittelsektor.
Vier Podiumsdiskussionen brachten Führungskräfte der größten sozialen
Netzwerke mit Händlern und Repräsentanten der Lebensmittelbranche
zusammen. Mitarbeiter von Facebook, WeChat,
Pinterest und Sina Weibo (so heißt das chinesische Pendant zu Facebook)
debattierten mit Vertretern von Unternehmen aus Deutschland, Spanien,
den USA und China darüber, wie wichtig Social Media für den Erfolg von
Lebensmittelmarken ist. Es war wirklich spannend, so viele interessante Leute kennenzulernen
und ihren Erfahrungen zu lauschen. Die Diskussionen fanden größtenteils
auf französisch und chinesisch statt und wurden über Kopfhörer auf
englisch übersetzt.
Nach der Konferenz hatten Sabrina und ich noch etwa eine Stunde Zeit, um über die Messe zu schlendern, bevor wir uns wieder auf den Weg Richtung Bahnhof machen mussten. Wir probierten noch ein paar interessante Kleinigkeiten, wie zum Beispiel Rote-Bete-Ketchup und dann hieß es auch schon wieder Au Revoir Paris!
Alles in allem war es ein wirklich spannendes, unfassbar anstrengendes,
aber auch ganz wunderbares Wochenende! Ich habe großartige Menschen aus
aller Welt kennengelernt und einiges gelernt. Vor allem auch über mich
selbst. Immer mal wieder raus aus der Komfortzone! Es lohnt sich so
sehr!
Das war übrigens der einzige Moment, in dem ich gemerkt habe, dass ich in Paris bin. Samstag Abends, als ich um 20.30 Uhr völlig fertig im Hotel ankam, riss ich mich zusammen und lief noch mal los. Ich besorgte mir fünf Salzkaramell-Macarons bei Ladurée und setzte mich auf eine Bank mit Blick auf den Triumphbogen und den Eiffelturm. Selbst, wenn alles andere total doof gewesen wäre – für diesen Moment hätte sich die Reise gelohnt.
Habt es schön!
Nadine
Juliane
Wow das klingt aber doch super spannend!
Mir geht es aber auch ähnlich. Ich hatte zwar noch nicht so ein großes "Projekt", aber ich sage auch zu anderen Projekten gerne ja um dann im nachhinein zu grübeln, wie ich das nun wieder hinbekommen soll. Aber es hat bisher immer geklappt 😀
Herzlichst Juliane
Nadine
So ist es! Was soll denn groß passieren? Selbst, WENN ich "I become a Croissant" geantwortet hätte, wäre ich nicht zum Croissant geworden 😉
Akosua
Liebe Nadine,
das klingt nach einem anstrengenden, aber schönen Wochenende. Du hast recht, schon alleine für den Blick auf den Triumphbogen und den Eiffelturm hätte sich der Trip nach Paris gelohnt. Man sollte wirklich öfter mal aus der Komfortzone hinaus treten und Neues bzw Anderes ausprobieren.
Ganz liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
Akosua
Das Kocherl
Hallo Nadine! Wow das klingt ja nach einem ereignisreichen Wochenende für dich! Ist doch immer mal wieder toll sich seinen Ängsten zu stellen und hinterher fühlt man sich ganz großartig. Zu mir sagen die immer im Urlaub, wenn es darum geht gefühlt meterhohe Wellen abzureiten "stress your skills" – kenn das Gefühl =)
Liebe Grüße, Julia
jeannettemokosch
Toll geschrieben und mutig, dass Du es gemacht hast!
kulturtussi
Ich würde wahnsinnig gerne noch viiiell mehr von eurem Haus, den Renovierungsarbeiten usw. sehen!! 🙂
Nadine
@kulturtussi Alles zu seiner Zeit 🙂
Dave
Super geschrieben und da bin ich ja froh, dass es nicht zu der Übernachtung mit der Flasche Rotwein unter dem Eiffelturm gekommen ist 🙂 War bestimmt spannend auf der Messe und besonders das Tee-Gelee hätte ich ja gerne mal probiert. Ansonsten hast du schon recht, dass sich allein schon der Blick auf den Arc de Triomphe bei Nacht für eine Reise nach Paris lohnt und es war auf jeden Fall eine gute Entscheidung noch mal loszugehen, vor allem weil man das Monument dann mit noch mehr Ruhe betrachten kann als tagsüber.